Kaja Reissaar ist die für Jugend debattiert zuständige Lehrerin am Deutschen Gymnasium Tallinn und bereitet die Schüler und Schülerinnen jedes Jahr auf den Wettbewerb vor.
1. Wie haben Sie den Weg zum Projekt Jugend debattiert gefunden?
Zu Jugend debattiert bin ich vor 15 Jahren rein zufällig gekommen, zunächst nichts davon wissend. Seitdem Estland im Jahr 2004 der EU beigetreten ist, bieten sowohl das Goethe-Institut als auch die Deutsche Botschaft in Estland ständig Fortbildungen für Deutschlehrer und -lehrerinnen an. Damit ich im Sommer 2007 an der ersten Jugend debattiert-Fortbildung in Pärnu teilnehmen zu würde, müsste man mich richtig überreden, weil es so viele andere Möglichkeiten gab. Im Moment kann ich mit Gewissheit sagen, dass dieses erste Training ansteckend war und die folgenden Trainings in Estland sowie in Wien, Berlin und Dresden mir den Spaß am Format von Jugend debattiert beigebracht haben. Es war eine große Herausforderung und ich denke, dass dieses Projekt eine besondere Rolle in meiner persönlichen Entwicklung spielt.
2. Sie sind mit dem Projekt auch außerhalb von Estland gewesen. Was war für Sie der denkwürdigste Moment?
Das jährliche Highlight dieses deutschsprachigen Debattierwettbewerbs ist sicherlich das internationale Finale, an dem ich bereits dreimal teilnehmen durfte: in Riga (Oktober 2015), Tallinn (September 2017) und Budapest (Oktober 2019). Es ist für die Lehrerin ein sehr schönes Gefühl, wenn ihr Schüler/ihre Schülerin nach der letzten Trainingswoche, den Qualifikationsrunden und dem Halbfinale die Finaldebatte erreicht. Ich fühlte die Unterstützung der ganzen internationalen Jugend debattiert Familie, ich war stolz und glücklich, dass ich zum Erfolg von Katrin-Lisa Laius beigetragen hatte, die den ehrenvollen zweiten Platz in Budapest gewann.
3. Als Mitglied der Jury haben Sie unzählige Debatten gehört. Welches Debattenthema hat Sie im Laufe der Jahre am meisten interessiert und wie ist Ihre eigene Position zu diesem Thema?
Als Jurymitglied habe ich in vielen Qualifikationsrunden, Halbfinalen, nationalen sowie internationalen Finalen in verschiedenen Rollen wirklich mitgemacht. Die Debattenthemen waren schon immer politisch und gesellschaftlich relevant und ich habe durch die Betreuung von Schülern selbst viel gelernt und mich weiterentwickelt. Es ist schwierig, das interessanteste Thema hervorzuheben, denn jedes Thema wird interessant, wenn man sowohl inhaltlich als auch sprachlich ein gutes Verständnis hat, weil es immer noch eine deutschsprachige Debatte ist. Allerdings erinnere ich mich an die Frage der Abschlussdebatte im 10. Estnischen Landesfinale 2015 „Soll in Estland die Wehrpflicht auch für Frauen gelten?“, wobei ich selbst absolut dagegen war.
4. Was würden Sie den Schülern empfehlen, die sich für das Projekt interessieren?
Den Mut, sich für die Teilnahme am Projekt zu entscheiden und den Willen, in ihre Zukunft zu investieren. Debattieren ist der beste Weg, um zu lernen und ich kann bestätigen, dass Debattieren ansteckend ist und dann kann man es auch genießen.
5. Warum finden Sie es gut, an diesem Projekt teilzunehmen?
In diesem Projekt sehe ich nur Vorteile für die Selbstentfaltung/ Selbstentwicklung jedes Einzelnen und die Erweiterung des Wissens und dadurch die allgemeine Steigerung verschiedener Kompetenzen. Die Teilnahme am Projekt entspricht den Erwartungen der heutigen Gesellschaft. Debattieren gibt die Erfahrung des öffentlichen Redens, den Mut, eigene Gedanken klar und laut vorzutragen, lehrt das Einhalten der vorgegebenen Zeit und die Fähigkeit zur Strukturierung, gibt Respekt vor sich selbst und dem anderen, der anderer Meinung ist. Die Teilnahme an dem Projekt entwickelt Selbstausdrucksfähigkeiten, die Fähigkeit, logische Zusammenhänge zu ziehen und das Gesamtbild zu sehen. Das Format entwickelt analytisches und kritisches Denken. Zu bedenken ist auch, dass sich die Deutschkenntnisse der Projektbeteiligten deutlich verbessern und Freundschaften für die kommenden Jahre entstehen. Es ist eine große Ehre, Mitglied der Jugend debattiert Familie zu sein.
6. Wie kann dieser Wettbewerb Ihrer Meinung nach der demokratischen Gesellschaft beitragen?
Demokratie braucht Bürgerinnen und Bürger, die einander zuhören und diskutieren können sowie Bürgerinnen und Bürger, dieüber ihre eigene Weltanschauung hinaus blicken können – das ist die Idee von Jugend debattiert.
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